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In Deutschland gibt es mehrere Gesetze, die die Verwendung von Einfacher und Leichter Sprache regeln. Dazu gehören das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Diese Gesetze haben das Ziel, Informationen für alle Menschen verständlich und zugänglich zu machen. Während sich das BGG und die BITV 2.0 auf öffentliche Stellen konzentrieren, betrifft das BFSG auch private Unternehmen.
In diesem Artikel werden die relevanten gesetzlichen Regelungen kurz und einfach vorgestellt, ihre Unterschiede erläutert und ihre Bedeutung für die Praxis erklärt.
EU-Richtlinie 2016/2102 & BGG, BITV 2.0
Die EU-Richtlinie 2016/2102 wurde im Jahr 2016 verabschiedet und regelt den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Sie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten dazu, Mindeststandards für digitale Barrierefreiheit festzulegen und entsprechende nationale Gesetze umzusetzen.
In Deutschland wurden diese Vorgaben durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) umgesetzt.
European Accessibility Act & BFSG
Im Jahr 2019 wurde mit der Richtlinie (EU) 2019/882, auch bekannt als European Accessibility Act (EAA), eine weitere gesetzliche Grundlage geschaffen. Diese Richtlinie geht über den öffentlichen Sektor hinaus und betrifft private Firmen, die digitale und physische Produkte sowie Dienstleistungen für Verbraucher bereitstellen.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt den EAA um und richtet sich an private Unternehmen, insbesondere an Anbieter bestimmter Produkte und Dienstleistungen wie Online-Handel, Bankdienstleistungen, den öffentlichen Personenverkehr sowie digitale Endgeräte und Software. Das Gesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Stichtag müssen betroffene Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten. Allerdings nimmt die Textverständlichkeit im BFSG nur eine untergeordnete Rolle ein und wird lediglich an zwei Stellen explizit erwähnt. Auf diese spezifischen Regelungen wird weiter unten im Kapitel zum BFSG eingegangen.
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ist seit dem 1. Mai 2002 gültig und regelt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen auf Bundesebene. Es soll die Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen verhindern und die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Dieses Benachteiligungsverbot ist auch in Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes zu finden.
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
(Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz)
Für wen gilt das BGG?
Das Behindertengleichstellungsgesetz gilt für eine Vielzahl öffentlicher Stellen und Institutionen, die als Träger öffentlicher Gewalt des Bundes definiert sind. Das beinhaltet in erster Linie Behörden, Körperschaften und Anstalten des Bundes. Das BGG gilt auch für andere Behörden, soweit sie Bundesrecht ausführen.
Beispiele:- Bundesministerien und deren nachgeordnete Behörden,
- Bundesagentur für Arbeit
- Deutsche Rentenversicherung Bund
- Gerichte des Bundes
- Sozialämter und Versorgungsämter
- Städte, Kreise und Kommunen
Verständliche und Leichte Sprache nach § 11 BGG
In § 11 BGG wird konkret beschrieben, wie Behörden mit Menschen mit Behinderungen kommunizieren müssen. Der Paragraph legt fest, dass Informationen verständlich vermittelt werden sollen und definiert die Voraussetzungen für den Einsatz von einfacher und Leichter Sprache im behördlichen Kontext.
Um die Regelungen von § 11 BGG verständlicher darzustellen, folgt eine vereinfachte Zusammenfassung:- Verständliche Sprache: Öffentliche Stellen müssen mit Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen in einer einfachen und verständlichen Weise kommunizieren. Bescheide, Allgemeinverfügungen und Vordrucke müssen auf Anfrage verständlich erläutert werden.
- Leichte Sprache auf Anfrage: Falls einfache Sprache nicht ausreicht, haben Betroffene das Recht, eine Erklärung in Leichter Sprache zu erhalten.
- Kostenübernahme: Die zuständige Behörde trägt die Kosten für notwendige Erläuterungen in verständlicher oder Leichter Sprache.
- Mehr Informationen in Leichter Sprache: Behörden sollen proaktiv mehr Informationen in Leichter Sprache bereitstellen. Die Bundesregierung fördert Maßnahmen zur Verbesserung der Kompetenzen in diesem Bereich.
Digitale Barrierefreiheit nach § 12 BGG
§ 12 BGG legt fest, dass öffentliche Stellen des Bundes ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten müssen. Dies betrifft sowohl öffentlich zugängliche Websites als auch interne Anwendungen für Beschäftigte. Die konkrete Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit wird durch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) geregelt, die technische Anforderungen und Standards definiert.
Das BGG verpflichtet öffentliche Stellen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten:
„Öffentliche Stellen des Bundes gestalten ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für die Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, barrierefrei.“
(Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz)
Damit müssen sämtliche digitalen Angebote von Behörden so gestaltet sein, dass sie für Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt nutzbar sind.
Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)
Die BITV 2.0 ist eine Verordnung, die sicherstellt, dass § 12 aus dem BGG konkret umgesetzt und durch weitere Informationen ergänzt wird. Die BITV 2.0 konkretisiert die Vorgaben, indem sie technische Standards für die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen festlegt.
Für wen gilt das BITV 2.0?
Das BITV 2.0 gilt für alle „öffentliche Stellen“. Die Definition öffentlicher Stellen über die allgemeine Definition der Träger öffentlicher Gewalt hinaus. Neben den bereits bekannten Behörden und Bundesorganen werden auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Vereinigungen mit Bundesbeteiligung erfasst, wenn sie bestimmte finanzielle oder strukturelle Kriterien erfüllen.
Das bedeutet, dass nicht nur klassische Bundesbehörden, sondern auch Organisationen, die überwiegend vom Bund finanziert oder kontrolliert werden, unter die Verpflichtung zur digitalen Barrierefreiheit fallen.
Leichte Sprache nach § 4 BITV 2.0
In § 4 BITV 2.0 werden weitere Anforderungen hinsichtlich der Bereitstellung von Informationen in Leichter Sprache beschrieben. Demnach sind auf der Startseite einer Website folgende Erläuterungen in Leichter Sprache bereitzustellen:
- Informationen zu den wesentlichen Inhalten: Eine kurze, verständliche Beschreibung darüber, welche Themen und Dienstleistungen die Website abdeckt. Dies hilft Nutzern, schnell zu erkennen, ob sie auf der richtigen Seite sind.
- Hinweise zur Navigation: Eine einfache Erklärung, wie sich Nutzer auf der Website zurechtfinden können. Dazu gehören Erläuterungen zu Menüs, Suchfunktionen und internen Verlinkungen.
- Erläuterungen zur Erklärung der Barrierefreiheit: Informationen darüber, welche Maßnahmen zur Barrierefreiheit umgesetzt wurden und wie Betroffene Unterstützung erhalten können.
- Hinweise auf weitere Informationen in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache: Verweise auf zusätzliche Inhalte, die die Verständlichkeit und Zugänglichkeit für verschiedene Zielgruppen verbessern.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde eingeführt, um sicherzustellen, dass auch private Unternehmen barrierefreie Produkte und Dienstleistungen anbieten.
Für wen gilt das BFSG?
Das BFSG verpflichtet Hersteller, Händler und Dienstleister dazu, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten.
Dazu gehören unter anderem:- Technische Geräte wie Computer, Smartphones und Tablets
- Geldautomaten, Fahrkartenautomaten und Check-in-Systeme
- Bankdienstleistungen und Online-Bezahlsysteme
- E-Books und E-Reader
- Telekommunikationsdienste (z. B. Internet- und Mobilfunkanbieter)
- Websites und Apps von Online-Shops, Banken und Transportunternehmen
Unternehmen aus diesen Bereichen müssen sicherstellen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind.
Auf der folgenden Seite kann ein einfacher Check durchgeführt werden ob Sie von dem BFSG betroffen sind: https://bfsg-gesetz.de/check/
Verständliche Sprache im BFSG
Das BFSG erwähnt das Thema „Verständlichkeit“ nur an wenigen Stellen. Es gibt keine explizite Verpflichtung, dass Unternehmen Einfache oder Leichte Sprache nutzen müssen. Die einzige Außnahme stellen Banken dar.
An mehreren Stellen wird in dem Gestz jedoch gefordert, dass Informationen/Inhalte und auch Webseiten wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden. Was genau verständlich bedeutet wird jedoch nicht weiter ausgeführt.
Das BFSG nennt kein einziges Mal im Gesetzestext „Einfache Sprache“ oder „Leichte Sprache“ oder gibt Sprachvorgaben wie ein bestimmtes Sprachniveau (z. B. B1 oder B2) vor.
Sonderregelungen für Banken: B2 (Einfache Sprache)
Für Banken und Finanzdienstleister enthält das BFSG eine besondere Regelung zur sprachlichen Verständlichkeit:
„Es muss gewährleistet werden, dass die Informationen zur Funktionsweise der Bankdienstleistung für Verbraucher verständlich sind, ohne dass ihr Schwierigkeitsgrad das Sprachniveau B2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen des Europarats überschreitet.“
(§ 17 Absatz 2 BFSG)
Hier gibt der Gesetzesgeber mit B2 also eine Grenze für das zugelassene Sprachniveau an. B2 zählt klassicherweise noch zur Einfachen Sprache. Für die Einfache Sprache gibt es seit 2024 auch eine DIN-Norm und damit auch klar definierte Regeln. Weitere Informationen können hier nachgelesen werden.
Fazit
Die gesetzlichen Regelungen zur Barrierefreiheit zeigen, dass das Thema von der Politik erkannt wurde. Mit dem BGG, BITV 2.0 und BFSG gibt es verbindliche Vorgaben, die sowohl öffentliche als auch private Akteure zur barrierefreien Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und digitalen Angeboten verpflichten. Dennoch bestehen weiterhin erhebliche Lücken, insbesondere im Bereich Einfacher und Leichter Sprache.
Während das BGG in § 11 explizit die Nutzung verständlicher Sprache fordert, bleibt es vage in der Umsetzung. Behörden sind zwar angehalten, auf Anfrage Dokumente in Leichter Sprache bereitzustellen, doch gibt es keine klaren Anforderungen oder Kontrollen, die sicherstellen, dass dies tatsächlich geschieht. Zudem wird erwartet, dass öffentliche Stellen eigeninitiativ mehr Inhalte in Leichter Sprache zur Verfügung stellen, jedoch fehlen verbindliche Maßnahmen zur Förderung und Durchsetzung.
Das BFSG ist im Hinblick auf verständlicher Sprache noch allgemeiner. Zwar wird an mehreren Stellen betont, dass Inhalte „wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust“ sein müssen, doch bleibt unklar, was genau unter Verständlichkeit zu verstehen ist. Die einzige explizite Sprachvorgabe betrifft den Bankensektor.
Besonders für private Unternehmen fehlen klare Regelungen und Standards zur Nutzung Einfacher und Leichter Sprache. Hier besteht Nachbesserungsbedarf, um echte Teilhabe für alle Menschen zu ermöglichen.