Leichte Sprache ist eine Varietät des Deutschen, die Informationen besonders für die Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verständlich aufbereitet. Die Texte werden auf Basis eines Regelwerks inhaltlich und sprachlich vereinfacht sowie gestalterisch angepasst. Einige der gestalterischen Regeln sind jedoch überholt oder widersprechen sogar der Designpraxis. An dieser Stelle soll daher die Problematik einiger Regeln der Typografie beleuchtet und Best‑Practice‑Beispiele für ein barrierefreies Design vorgestellt werden. Auf Bilder im Speziellen wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
Leichte Sprache braucht ein gutes Design
Viele Regelwerke sind aus der Praxis heraus entstanden, oft ohne die Beteiligung von Fachleuten aus dem Design. In seinem Positionspapier bemängelt der Deutsche Designtag die Broschüre Leichte Sprache – ein Ratgeber vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Der Ratgeber würde die aktuellen Erkenntnisse aus der Lesbarkeitsforschung nicht miteinbeziehen und den Erfahrungen aus dem Design widersprechen. Diese Kritik lässt sich auch auf andere Regelwerke übertragen, da die Regeln sich häufig überschneiden.
Typografische Gestaltung in der Leichten Sprache
Zur Gestaltung der Schrift sowie deren Anordnung geben viele Regelwerke Empfehlungen. Aber nicht alle Empfehlungen sind noch zeitgemäß, z. B. zur Schriftgröße oder Schriftart, wie im Folgenden beleuchtet werden soll.
Arial ist keine barrierefreie Schriftart
Viele Regelwerke empfehlen die Schriftart Arial oder andere serifenlose Schriften. Diese Schriftart ist weder für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, noch für Menschen mit einer Sehbehinderung geeignet. Auch Serifenschriften sind nicht per se schlecht. Vielmehr kommt es u. a. auf die Unterscheidbarkeit der Buchstaben an, z. B.: vom großen I und kleinem l. Studien konnten zeigen, dass die Schriftarten Open Sans, Roboto, Fira Sans und Thesis Mix für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung gut geeignet sind (Bock 2019, S. 90). Basierend auf der DIN 1450 Schriften – Leserlichkeit wurde die Neue Frutiger 1450 entwickelt, die besonders für die Bedarfe von sehbeeinträchtigten Menschen optimiert ist.

Die Schriftgröße ist abhängig von der Schriftart
In vielen Regelwerken wird die Schriftgröße 14 Punkt empfohlen. 14 Punkt fällt je nach Schriftart jedoch unterschiedlich aus.

Typografen nutzen daher für die Angabe der Schriftgröße die sogenannte x‑Höhe. Die x‑Höhe lässt sich z. B. mit einem Plug-in in Adobe InDesign einstellen, aber nicht in Word. Eine grobe Orientierung gibt der Größenrechner von leserlich.info.
In einer Studie mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen haben die Teilnehmenden Texte mit einer x‑Höhe von 2,25 mm (entspricht Arial 12 Punkt) als ausreichend groß empfunden (Sieghart 2020).
Laut DIN 1450 sollte sich die Schriftgröße außerdem an der Sehschärfe, dem Betrachtungsabstand und der Textart orientieren.
Layout in der Leichten Sprache
Bisher gibt es nur wenige Regeln, die auf die Seitengestaltung von Leichte-Sprache-Texten eingehen. Aktuell beschränken sich die Regeln auf die Zeilengestaltung und auf die linksbündige Ausrichtung der Schrift. Das Integrieren allgemeiner Designkonzepte wie die Gestaltungsgesetze könnten jedoch vorteilhaft sein.
Ein kurzer Diskurs zu den Gestaltgesetzen
Die Gestaltgesetze wirken intuitiv, da der Mensch unbewusst nach bekannten Mustern sucht. Sie müssen auch nicht erlernt werden (Pridik 2019, S. 501). Durch das Beachten der Gestaltgesetze können Texte optisch ansprechend gegliedert werden. Entscheidend dafür ist der Anteil von Weißfläche zum gedruckten Inhalt. Durch Abstände zwischen Textblöcken oder von Bild und Text können thematische Zusammenhänge ausgedrückt werden. In der Leichten Sprache wird dies auf der Inhaltsebene u. a. durch die verstärkte Verwendung von Zwischenüberschriften und Absätzen erzielt.

Beispielhaft sollen hier drei Gestaltgesetze vorgestellt werden:
- Das Gesetz der Ähnlichkeit
- Das Gesetz der Nähe
- Das Gesetz der Prägnanz
Das Gesetz der Ähnlichkeit besagt, dass gleich aussehende Elemente als zusammengehörig wahrgenommen werden. Die Ähnlichkeit kann durch Form, Farbe, Textur, Position und Größe hergestellt werden. Warnungen in einem Text sollten daher immer gleich ausgezeichnet werden, z. B. mit demselben Bild oder derselben Gestaltung.
Nach dem Gesetz der Nähe werden nah beieinander liegende Elemente als zusammengehörig wahrgenommen. Nähe und Weißräume zur Distanzierung von Inhalten sollten daher bewusst zur Gruppierung eingesetzt werden. Ein Bild sollte daher immer in der Nähe der entsprechenden Textstelle positioniert werden. Ebenso kann Zusammengehörigkeit durch Abstände von Textpassagen vermittelt werden. Die Überschrift eines neuen Kapitels sollte z. B. mehr Abstand zum vorherigen Kapitel haben.
Das Gesetz der Prägnanz beschreibt, dass prägnante Elemente besonders ins Auge fallen. Für die Leichte Sprache bedeutet dies, dass wichtige Textstellen wie Warnungen auffällig gekennzeichnet werden sollten. Dies kann bspw. durch Farbe oder eine auffällige Illustration umgesetzt werden.
Allein das Design vermittelt Informationen
Anhand des Designs werden bereits Informationen vermittelt, etwa zur Textsorte. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen haben oft ein sehr breites Textsortenwissen. Sie können anhand der Seitengestaltung erkennen, ob es sich um einen Zeitungsartikel oder einen Roman handelt. Und das ohne ein Wort vorher zu lesen. Übersetzer*innen können sich dieses Wissen zunutze machen, indem sie typische Textsortenkonventionen in ihren Übersetzungen aufgreifen. Die bisherigen Regelwerke gehen hierauf nicht ein, nur die DIN SPEC erwähnt dies.
Auch Unternehmen oder Einrichtungen vermitteln nonverbal Informationen über ihr Corporate Design, z. B. über die (hauseigene) Schriftart oder über die Corporate‑Farben. Ein Text in Comic Sans löst andere Assoziationen aus als der gleiche Text in Times New Roman. Übersetzungen sollten sich daher am Corporate Design orientieren oder es, falls barrierefrei, sogar ganz übernehmen. Der Text wirkt so seriöser und schafft einen Wiedererkennungswert.
Best-Practice-Beispiele
Ausschreibung der Galerie Bezirk Oberbayern
Die erste Übersetzung umfasste 4 Seiten, ein Umfang, der auf schwache Leser*innen abschreckend wirken kann. Rechts vom Text sind verschiedene Bilder aus der Sammlung der Lebenshilfe Bremen. Die Übersetzung ist von 2014 und das Design ist typisch für viele Übersetzungen aus dieser Zeit. Die Übersetzung lässt gestalterisch keine Rückschlüsse auf die Funktion und den Absender des Textes zu.

In der Überarbeitung wurde der Text gekürzt und in Anlehnung an das Corporate Design neu gestaltet. Abweichend vom Ratgeber Leichte Sprache wurde eine andere Schriftart und für die Kontaktzeile eine weiße Schrift auf blauem Hintergrund gewählt. Die Änderungen und die Wahl der Illustrationen erfolgten gemeinsam mit einer Prüfgruppe. Allerdings wirkt das Leichte-Sprache-Siegel sehr klein. Im Vergleich zur ersten Fassung unterscheiden sich Titel und Überschriften stärker vom Text, die Gliederung ist klarer.

Schütteln kann Babys krank machen
Die Farben der Bilder und auch die farblichen Hinterlegungen greifen das Corporate Design auf und lassen die ganze Broschüre stimmig wirken. Nur das Impressum wirkt auf der ersten Seite unpassend.

Ausblick
Das bisher größtenteils uniforme Design von Leichten‑Sprache‑Texten hat zwar den Vorteil, dass die Zielgruppe diese Texte schnell erkennt, doch kann die Zielgruppe deshalb auch leicht stigmatisiert werden. Ein professionelles Design kann dem entgegenwirken. Die Best-Practice-Beispiele haben gezeigt, dass das Abweichen von Regeln von der Zielgruppe sogar gewollt sein kann.
Mit der Orientierung am oder (falls barrierefrei) dem Übernehmen des Corporate Designs wirken Übersetzungen professioneller und Unternehmen schaffen so einen Wiedererkennungswert. Die Texte wirken außerdem seriöser.
Sofern es die finanziellen Mittel ermöglichen, sollten auch Leichte‑Sprache‑Texte professionell designt werden. Im besten Fall von einer Agentur, die Übersetzung und Gestaltung anbietet und die Qualität von beidem durch eine Prüfgruppe absichern kann.
Wie bei unserem Kooperationspartner: Lisi Textwerkstatt Köln.
Cornelia arbeitet als Redakteurin im Büro für Leichte Sprache Köln und ist Fachfrau für Leichte Sprache.
Quellen
- BMAS (2014): Leichte Sprache. Ein Ratgeber. Abdruck der „Regeln für Leichte Sprache“ des Netzwerks Leichte Sprache e. V.
- Bock, Bettina M. (2019): „Leichte Sprache“ – Kein Regelwerk. Sprachwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt. Berlin: Frank & Timme (Kommunikation – Partizipation – Inklusion). Zuletzt aufgerufen am 11.03.2025 unter https://ul.qucosa.de/api/qucosa%3A31959/attachment/ATT-0/
- Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband DBSV (2017): Leserlich – Schritte zu einem Inklusiven Kommunikationsdesign, www.leserlich.info.
- Deutscher Designtag e V. (06.02.2020): Angemessene Kommunikation mit Leichter Sprache und inklusiven Kommunikationsdesign.
- DIN 1450:2013-04 (2013) Schriften – Leserlichkeit, Deutsches Institut für Normung e. V., Beuth Verlag GmbH.
- DIN SPEC 33429:2023-04 – Entwurf (2023) Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache, Deutsches Institut für Normung e. V., Beuth Verlag GmbH.
- Pridik, Nicola (2019): Visualisierungen rechtlicher Inhalte in Leichte-Sprache-Texten. In: Christiane Maaß und Isabel Rink (Hg.): Handbuch Barrierefreie Kommunikation. Berlin: Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur (Kommunikation – Partizipation – Inklusion, Band 3), S. 487–506.
- Sieghart, Sabina. 2020. Angemessene Kommunikation mit Leichter Sprache. In Lars C. Krabbe u. a. (Hg.): Bildgestalten – Topographien medialer Visualität, Büchner Verlag.
- Sieghart, Sabina (2024): Design hilft, zu verstehen. In: Sabina Sieghart und Rudolf Paulus Gorbach (Hg.): Gutes Design für Leichte Sprache, Verlag Julius Klinkhardt.
Beispiele:
- Bundeszentrale gesundheitliche Aufklärung (2020): Schütteln kann Babys krank machen. Zuletzt aufgerufen am 11.03.2025 unter: https://shop.bioeg.de/pdf/16000568.pdf
- Sieghart, Sabina (2017): Vorher-Nachher-Vergleich vom Galerie Bezirk Oberbayern: Sind Sie Künstlerin oder Künstler? Zuletzt aufgerufen am 11.03.2025 unter: https://gestaltungsinstitut.de/wp-content/uploads/2017/06/Auschreibung_Galerie_LS_vorhernachher.pdf